GeldØWert

Tjark liest seinen Abschiebebescheid und kann es nicht glauben. Seit ein paar Monaten arbeitet er unangemeldet für eine Zeitarbeitsfirma und hält sich mit Hilfsdiensten in verschiedenen Pflegeeinrichtungen über Wasser. Mirko sein Chef war zufrieden mit ihm. 370 Euro hatte er diese Woche verdient. Es sah so gut aus! Jetzt steht da, er müsse zurück nach Afghanistan. Sein Flug kostet den Staat in etwa das Doppelte.

Hanno der Uberfahrer schläft in seinem Auto. Er tut das bloß, damit er nicht gefeuert wird. Denn, wenn er nicht gleich auf seine von Algorithmen gesteuerte Dienst-App reagiert, gibts Brösel mit dem Boss. So hat er einen Alarm eingestellt, der ihn auch jedes Mal verlässlich hochfahren lässt, wenn denn die Stadt und die Firma gedenkt sein Fahrtalent wieder gebrauchen zu können.

Selma Ennaifer die Tunesische Außenministerin spricht in fast flehentlichem Tonfall vor Vertreterinnen der Europäischen Kommission. Der Grund? Die Reisebeschränkungen der EU wegen der Pandemie bewirken, dass 70 Prozent(!) der Betriebe des Tourismuslandes Tunesien zusperren müssen.

Drei sehr unterschiedliche Geschichten und doch ähnlich symbolhaft für die Misere in der wir stecken. Gemeinsam haben die Beispiele das Thema Arbeit und Scheitern. Insbesondere wird deutlich, welche gravierenden systemischen Fehler in der jetzigen global ausgerichteten Arbeitsorganisation eingebaut sind.

Die graue Dauerwelle meiner Heimatstadt Linz, die Familie, die Schule hatten schon früh ein Freiheitsgen in mir getriggert. Zunächst relativ verwöhnt in bürgerlichem Milieu aufgepäppelt habe ich neben dem Studium als Kuvertierer bei einem Textilkonzern, in der Packelhalle der Post, im Callcenter der Telekom und schließlich beim Zivildienst im Altersheim an den Früchten unseres Arbeitssystems nippen dürfen. Obwohl relativ gut bezahlt, dachte ich mir – `Na Brack!`. Arbeit im Lohnsystem ist scheinbar ein einziger lähmender Opressionsanschlag. Das mit dem Mangel an Freiraum hat sich später beim Fernsehen als Cutter und Redakteur auch nicht elementar geändert. Statt Wahrheit, Kreativität und Fame zu schnuppern, vermiesten einem dort genau die falschen Leute an den Schalthebeln – nämlich politisch genehme News-Schlepper – die eigentlich tollen Möglichkeiten in einem Laufbildmedium. Nachdem das Leben kein Jump-and-run-Spiel ist, wo man 3 Leben hat, wurde mir klar, ich muss da raus. So startete ich etwas naiv meine höchstpersönliche Befreiungsbewegung und machte mich auf Richtung Film und Kunst. Die lebenslangen Themen Bildung, Ausbildung, Arbeit musste ich für mich neu aufstellen, was erstens gar nicht so einfach war und zweitens zur Erkenntnis führte: in der Selbstständigkeit gibts auch Gitterstäbe, bloß halt in Plüsch. Nicht zuletzt deshalb verbringe ich seither viel Zeit damit, neben bezahlter Arbeit auch Projekte zu initiieren, die sich damit beschäftigen herauszufinden, wie wir als Gesellschaft aus der Geiselhaft des Jobsystems rausfinden könnten. Und genau darum gehts auch in diesem Artikel.

Utopia for Realists

Wie ändern wir das mit der Arbeit? Mit der Digitalisierung hören Arbeitsplätze auf, feste Orte zu sein und beginnen, sich in Zustände zu verwandeln. Ich will Sie dafür gewinnen gemeinsam mit New Work – New Culture über diese Zustände nachzudenken. Wir könnten 15 Minuten darüber philosophieren, träumen, grübeln, wie wir denn, in dem sich rasch beschleunigenden Transformationsprozess der Arbeit sicherstellen, dass wir am Ende etwas Besseres hinkriegen.

Ein Schlüssel dafür ist der Bergmann’sche Begriff des “wirklich, wirklich Wollens”. Das New Work “WWW” hat wenig bis gar nichts mit Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung zu tun. Es geht bei New Work nach Bergmann nicht um ein bisschen verbessern, nicht um Jobcrafting. Neue Arbeit – Neue Kultur streift nicht nur die Oberfläche und Esoterik ist uns ein Grauen. NANK ist ein evolutionäres, philosophisches Freiheitskonzept mit dem Fokus auf Arbeit.

Arbeit greift tief in das Verständnis der Persönlichkeit und der damit verbundenen Werte und Grundüberzeugungen ein. Sie definiert und dominiert auch umfassend Beziehungswerte in der Welt. New Work in der Auffassung von Frithjof Bergmann hat daher eben nichts mit Lovebombing, mit Glanz in der Sonne oder dem Wert des Gebraucht-Werdens an sich zu tun.  Es geht viel mehr um die intrinsische Motivation um das Gegenwärtige in einem selbst und wie stark es wahrgenommen wird. Im Vergleich zu der Kraft äußerer Einflüsse ziehen den Menschen die eigenen Wünsche nicht mit starken Tauen, sondern hängen an einem dünnen und schnell reißenden, zarten Faden.

Dieses Phänomen nennt New Work die “Armut der Begierde”. Das menschliche Wesen an sich ist viel zu oft zuallererst schwach und zerbrechlich. Menschen sind schnell entmutigt, niedergeschlagen und zahm. Daher ist es leicht, die Menschen einzuschüchtern oder gar zu dressieren, und sehr viele sind scheu und in sich zurückgezogen. Das Phänomen nennt Frithjof Bergmann auch Selbstunkenntnis, über das Individuum hinaus spricht er vom “Konzept des ungelebten Lebens”, das vielfach die Arbeits-Gesellschaft prägt.

Handhabe

Im ersten Teil dieses Beitrages möchte ich die Neue Arbeit nach Bergmann näher skizzieren und in den aktuellen gesellschaftspolitischen Kontext einbetten. Es wird ein Versuch die wesentlichen Elemente, das Calling und die Community Production, innerhalb der sich verändernden ökonomischen Rahmenbedingungen zu positionieren.

In einem 2. Teil geht es darum, welche Rolle die Digitalisierung im Transformationsprozess von Arbeit spielt, was schiefläuft und wie wir diese in eine neue humanere Epoche transferieren könnten. Dabei nehme ich Bezug auf die aktuellen Entwicklungen rund um COVID und zu den langfristig wirkenden großen Kräften der Demokratisierung, der Automatisierung, der Globalisierung und der Geldsteuerung.

Im letzten Teil stelle ich unseren aktuellen Ansatz vor, wie man mit einem technologischen Werkzeug die Situation konkret am Arbeitsmarkt verbessern könnte. ” Ø – Der Wert einer Stunde Arbeit” unternimmt den Versuch, ein mittels DLT (Blockchain) Technologie abgesichertes Wertsystem für Arbeit zu entwickeln.

Ø  ist ein Index der mittels künstlicher Intelligenz lernt, wie man Fehldispositionen und ungleiche Bewertungen von Arbeit und systemische Fehler in Gehaltsfragen korrigieren könnte. Aus bereits erhobenen Daten, ergänzt mit neuen Bewertungs-Ansätzen wird ein Faktor errechnet, mit dem eine bestehende Entlohnung multipliziert werden sollte, um dem gesellschaftlichen Wert einer Arbeit besser darzustellen. Damit da möglichst wenig Ideologie den Ton angibt, versuchen wir die Tätigkeiten an sich mit einer Matrix an Skill Sets zu erfassen. Sowohl weiche Faktoren wie Kreativität und Empathie als auch Hardcore Kriterien, wie der für diese Tätigkeit notwendige Bildungsgrad oder die durchschnittlich zu leistende Arbeits-Geschwindigkeit werden dabei berücksichtigt.

work is the change machine

In der Teilzeitrevue, die wir Arbeit nennen, kommen wir schön langsam der Erkenntnis auf die Schliche, dass wir als Gesellschaft beim Thema Arbeit irgendwie festsitzen. Wirtschaftswachstumswahnsinn, Automatisierung. Digitalisierung. Es geht weder vor noch zurück. Woran das liegt und wie wir das ändern könnten, darüber bricht sich New Work nach Bergmann seit 40 Jahren den Kopf und schlägt etwas Neues vor.

Neue Arbeit – Neue Kultur glaubt fest daran, das wir mit kluger Veränderung des Arbeitssystems die ganze Welt positiv beeinflussen können. Das Calling – die intrinsische Berufung – verknüpft mit kollaborativen Produktionsweisen wird das Arbeitsleben und die Art, wie wir Leben revolutionieren. Technologisch ist bereits unfassbares möglich. Man kann sich als Privatperson mit seinem Telefon an die KI “GPT-3” andocken und hat ein Universum an Möglichkeiten, dass die eigene Vorstellungskraft sprengt und einen in der Fülle zunächst einmal platt walzt.

So kann man zum Beispiel fiktive Gespräche mit Thunberg, Chomsky, Musk, Obama, dem Papst oder dem chinesischen Bürgerrechtler Wei Jingsheng führen. Fragt man zum Beispiel nach, was bei der Digitalisierung alles falsch läuft und was der nächste richtige Schritt wäre, liefert die Künstliche Intelligenz aus den Daten der veröffentlichten Aussagen dieser Denker die Antwort, dass es an uns läge, ob das schlecht oder gut ausgeht. Es gibt aber auch verblüffend brauchbarere, logisch und authentisch klingende Antworten auf wirklich drängende Fragen unsere Zeit. Selbst Wissenschaftler, die daran arbeiten werden bei Lösungsvorschlägen für das Klimaproblem, mit einem Gefühl zwischen Euphorie und Fassungslosigkeit zurückgelassen. Zum Teil können diese Experten nicht einmal mehr genau nachvollziehen, wie die KI zu ihren Lösungen kommt, wenn sie Neues zur Warenlogistik, Ressourcenschonung und Smart Health Robotic erfindet.

Theoretisch hat jeder mit Internet Schwarmintelligenz für seine Entscheidungen als Werkzeug in der Hosentasche. Theoretisch, den erstens ist der Zugang begrenzt und zweitens ist dieses Orakel das Machine Learning Substrat der Meinung “Aller”. Die Frage ist nicht nur philosophisch, sondern ganz praktisch, ob das wirklich noch etwas mit Intelligenz zu tun hat. Diese vermeintlich kollektiv abgesicherte sind Daten, die zur Verfügung stehen aus einer Perspektive eines Programmierers und einer Institution, die über die Datenzusammensetzung des Modells entscheidet. Wieweit diese Daten ethisch kompromittiert sind, wieweit sie nur Mainstream sind, wieweit sie der Teufel sind, wird gerade erforscht. Was man schon weiß ist, sie sind ähnlich wie Wikipedia, weiß, männlich und von reichen Ländern dominiert.

New Work mit seinem Ansatz individuell in sich hineinzuhören, was man braucht und was man will, hilft beim Navigieren in Unsicherheit. Wenn es darum geht dieses weite, weiße und unbeschriebene Feld der neuen Möglichkeiten zu betreten brauchen wir einen starken inneren Kompass. Denn, trotz revolutionärer Rahmenbedingungen liegt womöglich noch ein Marathon vor uns, bis wir uns ausreichend synchronisieren und gemeinsame Kulturtechniken entwickeln, die die Potenziale des Möglichen auch heben und schließlich ein besseres Leben für viele ermöglichen. Womit wir es aber schon jetzt zu tun haben, ist eine Beschleunigung von Transformationsprozessen, der die Menschen zum Teil mit Angst begegnen.

Veränderung hat es immer gegeben, besonders auch bei der Arbeit. Aber jetzt sehen wir den Beginn einer neuen Epoche. Es ist zu einem die offensichtliche Beschleunigung der Umbrüche, die gute Gründe liefert von einem neuen Zeitalter zu sprechen. Es ist aber auch die Art der Beschaffenheit der Brüchigkeiten. Es ist, wie Václav Havel einmal gesagt hat, so, als ob sich etwas selbst erschöpfe und zerstöre. Aber was erhebt sich nun aus den Trümmern? Wie können wir mit diesen Brüchen umgehen?

Neue Arbeit – Neue Kultur ist interessiert an den Symptomen des Zerfalls und Aufbruchs und den Widersprüchlichkeiten als Ausdruck eines tiefer liegenden Verwandlung der Arbeit, wie wir sie kennen. Wenn es um Arbeit und Sinnhaftigkeit geht, sehnen wir uns noch etwas diffus nach etwas Anderem. Dieses Andere zu definieren gelingt noch nicht. Aber die Nebel lichten sich. Eine erste Ahnung, wie denn das Neue aussehen könnte wächst als Sprössling einer Art kollektiven Sehnsucht heran. Was wir jetzt sehen, ist, dass sich eine neue Form von Anwesend werden und von Gegenwärtigkeit erhebt. Diese Gegenwärtigkeit hat nicht nur etwas mit digitaler 5G Beschleunigung, sondern auch etwas mit Authentizität, mit sich nahe sein bei dem was man tagtäglich macht, zu tun.

industrial age – information age – augmented age

Die Neue Arbeit wollte von Anfang an – und das war schon in den 70-ern – das Zu-Ende-Gehen des Jobsystems nicht bedauern, sondern vor allem frenetisch feiern. Als Hegelianer glauben wir, dass wir nicht von Anfang an frei geboren sind, sondern, dass der Weg in die Freiheit nur schwer zu erlangen ist. Und das Jobsystem hat den Menschen schrecklich unfrei gemacht.

In der klassischen Lohnarbeitsgesellschaft bedeutet die Optimierung eines Betriebs die Optimierung der “Human-Ressourcen”. Man bezeichnet Menschen mit individuellen Wünschen, Fähigkeiten und Lebensumständen als Ressource, und will sie als willige Mitarbeiter möglichst multi-flexibel und effektiv einsetzen.

Immer mehr Menschen und nicht erst seit Corona spielen da nicht mehr mit. Die Menschen fallen aus ihrer Rolle, die Dinge sind nicht mehr an ihrem Platz. Seitens der Politik hat man zu lange auf die Kontinuitäten geblickt und dabei den radikalen Epochenbruch um 1980 übersehen. Die Themen haben sich verändert. Es hat sich ein gesamtes intellektuelles Koordinatensystem verschoben: Menschen, zerrissen zwischen Individuum und Gesellschaft, changierend zwischen individueller Psyche zu jener der Masse. Der Körper des Einzelnen wird zum sozialen Körper verborgen. Dazu kommt ein Sog vom Begehren zum Bedürfnis, von einer vertikalen zu einer horizontalen Ordnung. New Work fordert in dieser Situation eine nachhaltige Stärkung des freien Willens des Einzelnen und einem kollaborativen Geist. Herauszufinden was man will, sein ‘Calling‘ zu finden, kann dazu beitragen Probleme beim Navigieren in Unsicherheit zu entschärfen, wenn wir ein wenig mehr Flamboyanz für das ‘ureigen Machbare‘ zulassen.

Während des industriellen Zeitalters wurde der überwiegende Teil der Arbeit mit Muskelkraft verrichtet; sie war stumpfsinnige, zermürbende, erschöpfende Knochenarbeit. Im post-industriellen Zeitalter wird diese Arbeit fast völlig von Maschinen erledigt. In Taipeh stehen die ersten “Dark Factories”. Die Fabrikationshallen dort bleiben dunkel, weil im Normalbetrieb nur mehr Roboter mit Sensoren und kein einziger Mensch mehr arbeitet. Lufthansa hat – unabhängig von den derzeitigen Flugbeschränkungen – Pläne in der Schublade, um das Geschäft in Zukunft mit 40,000 weniger Mitarbeitern zu stemmen. Man schätzt das Künstliche Intelligenz und Augmented Reality in den nächsten 10 Jahren 30-50 Prozent der bisherigen Jobs obsolet machen werden.

Was werden wir Arbeiten?

Was werden wir arbeiten? Genau wissen wir das nicht. Aber was wir sagen können: Die Arbeit wird nicht ausgehen. Um die “Great Challenges” – Armut, Umwelt, Gesundheit – gesellschaftlich zu bewältigen, können und müssen sich Milliarden Menschen einbringen. Wenn wir dabei die stumpfsinnige Arbeit Maschinen erledigen lassen, könnten zwei Drittel aller Arbeit Beschäftigung sein, die einen stärker macht, die auf einen selbst abgestimmt ist, einen weiterbringt, die der Selbstverwirklichung dient. Das stellt einen enormen Fortschritt dar, denn in der Vergangenheit konnten nur kleine privilegierte Eliten – Künstler, Intellektuelle und Erfinder – das herzhafte Lebenselixier solcher Arbeit genießen. Ein geschickt verknüpftes Netzwerk der Kollaboration in Verbindung mit Entrepreneurship und fairen Entlohnungsmechanismen, kann Schutz vor Arbeitsverlust, Abstieg und Armut bieten. Die Kernaussage dazu: ‘Arbeite das, was du wirklich, wirklich willst!‘ Dieser wichtige Nukleus der Freiheit gesellt sich in der ‘Community Production‘ zum Erforschen und Entdecken und verbindet dort die Arbeit an Hi-Tech Maschinen mit einer ordentlichen Brise unternehmerischem Geist.

Der Wert von Arbeit

Die Art und Weise, wie das aktuelle Wirtschafts-Referenzsystem den Warenaustausch die letzten 150 Jahre systemisch verankert hat, hat den Menschen geschwächt. Sie haben ihn lediglich gezähmt und nicht entfaltet. Darüber hinaus funktioniert dieser moderne, westliche Materialismus nur mehr schleppend. Japan produziert seit Jahrzehnten kein namhaftes Wirtschaftswachstum mehr, obwohl perverser Weise die anhaltenden Kosten der Atomkatastrophe in Fukushima und auch die Proteste deswegen als `Wachstum’ mit eingerechnet werden.

Das derzeitige Verständnis von Wirtschaft ist dabei stark verengt. Bereiche wie soziale Sorge-, Familien- und Reproduktionsarbeit werden systematisch unterbewertet, Kunst und Kultur und die Lebensrealitäten von Randgruppen negiert. Nicht zuletzt deshalb wird Arbeit aber zunehmend mit einer Inklusionslogik von Sinn, Intimität, Sorge und Neigung konfrontiert. Massenproduktion ist nicht auf das Kreieren von kultureller Fülle, Vielfalt und Inklusion ausgerichtet. Nach 20 Jahren Optimierungseffizienz wurde die Reichhaltigkeit konsequent ausgebremst. Wenn die Gesellschaft von der Massenproduktion weg will, weil andere Notwendigkeiten in den Vordergrund treten, dann müssen wir uns notgedrungen fragen: ist die Organisation von Arbeit und Produktion, die wir haben die bestmögliche, um Kreativität und Innovation freizusetzen?

Geld und Arbeit

New Work ist angesichts der Veränderung des Werts und der Bedeutung des Warenbegriffs an sich, davon überzeugt, dass auch der Wert der Arbeit völlig neu gewichtet werden kann. Bis dato war, Geld eher der Schmierstoff dafür, das am Ende vieles misslingt. Ein echter Wertspeicher für Arbeit könnte der Schmierstoff dafür sein, das alles gelingt. Um wieder mehr Schürfrechte am Leben zu erlangen, könnten wir den Menschen mit einer neuen Form der Arbeitsorganisation und Arbeitsbewertung stärken. Wir könnten damit einen Aufstieg erleben anstatt einer Erschöpfung des Menschen am Digitalen und wir könnten mehr und mehr zu einer Kultur der Freiheit gelangen. Wir haben bloß noch nicht so richtig gelernt, wie wir unsere jahrhundertealten kollektiven Muster des Denkens, Sprechens und der Institutionalisierung so umschmelzen und umformen können, dass sie den neuen Realitäten entsprechen. In diesem Möglichkeitsraum, in Walter Benjamins „Jetztzeit“ hat New Work – New Culture Argumente, Bilder, Begriffe und Werkzeuge, dort wo es so schwer scheint, eine emanzipative Zukunftsvorstellung zu entwickeln und im Hier und Jetzt nach Möglichkeiten zu suchen, diese zu verwirklichen.

Das epische Gespräch zum US Dollar System mit Makro-Analyst Luke Gromen vom April 2020

Eine der wichtigsten makroökonomischen Fragen, mit denen die Welt konfrontiert ist, ist die nach der Zukunft des globalen Reservesystems, das in den letzten 80 Jahren vom US-Dollar dominiert wurde.

Tatorte

Die Digitalisierung ist einer der großen Treiber der Veränderung von Arbeit. Aber die digitale Revolution verläuft in Schieflage. Wir scheinen gegen die Algorithmen zu verlieren. Es wird alles verregelt, vernutzt und verrechnet und das Humane wird zwischen den Bits und Bytes zerrieben. Die Ungleichheit nimmt weiter zu. Die Wissens- und Ressourcenverteilung sowie die Wertschöpfungsketten sind global, national und auch lokal mit der Digitalisierung und der damit einhergehenden Automatisierung und Produktionsänderung noch inhomogener verteilt.

Produktionsänderung ist zugleich Wertänderung von Arbeit. Arbeitsleistung und ihr Wert hat sich von fairer Bezahlung in echten Wertspeichern in hohem Ausmaß entkoppelt. Angesichts der Effekte der Digitalisierung befindet sich das Wertschöpfungsregime derzeit in einem Wandel. Die Praktiken von Produktion und Konsum verändern sich in Richtung offener, verteilter und rückkoppelnder Produktionsformen. Neue Formen der Kollaboration gewinnen an Relevanz und Dezentralisierung und fairer Wertetausch nehmen Gestalt an.

Auch hier hebt das Brennglas Corona- und Wirtschaftskrise das Ausmaß der Verzerrung hervor und deckt Schwachstellen schonungslos auf. Dort wo Digitalisierung, Kommunikation, Synchronisation gelingt funktioniert Arbeit. Mobiloffice und Homeschooling sind für prekäre Berufsgruppen keine Option. Die digitale Wirtschaft des 21. Jahrhunderts fährt auf einem Betriebssystem des 20. Jahrhunderts. Die großen Tech-Konzerne wie Tencent, Facebook, Google, Alibaba, Tesla, Netflix kapern während Corona im Alleingang NASDAQ & Co. Der Plattform Feudalismus à la Amazon wird in seinem beängstigenden Machtpotenzial offensichtlich.

we must see the digital as a new form of craft

Die Neue Arbeit erstrebt statt diesem Monopol- und Überwachungs-Kapitalismus ein wirtschaftliches Kreislaufsystem globaler Nachbarschaften mit ausgewogener Produktion und Nutzung: Dezentrale, regionale Kollaboration in Form der ‘Community Production‘ als einer Art Grundwirtschaft; konkrete Freiheitssubstrate in Form von Zugang zu digitaler und analoger Infrastruktur und Commons für Menschen anstatt eines alimentierenden Grundeinkommens. Gemeinschaftswerkstätten dafür sind weltweit im Entstehen und erstaunen mit ihren Produktionskapazitäten. So ist die ‘Grande Garage‘ in der Tabakfabrik Linz auf rund 4.000 Quadratmetern unter anderem mit Hochleistungs-Fabrikatoren, Lasercuttern, computergesteuerten Fräßen und Industrie Robotern ausgestattet. Arbeiten, entwerfen und Prototypen anfertigen dürfen dort Forscher, die Industrie und Start-ups, aber auch Studentinnen, Schüler, Künstler und Großväter.

Den Wert von Arbeit Computern überlassen?

Digitale Systeme, insbesondere Künstliche Intelligenz stehen eher am Anfang ihrer Entwicklungsgeschichte und erst langsam trudeln valide Ergebnisse der Technologiefolgenabschätzung ein. Was sich herauskristallisiert ist, dass es viele ethische Fragen gibt, die verhandelt werden müssen und demokratischen Konsens benötigen, dem dann die Legislatur Rechnung zu tragen hat. Auch das Thema Sicherheit und Kontrolle ist ein substanzielles. Hier zeichnen sich sowohl regulatorische Strömungen ab, wie auch völlig freie, bottom-up entwickelte Vorstöße.

Das Gelingen von Beziehungen muss den digitalen Möglichkeiten als ethische Grundlage dienen

New Work nach Bergmann ist es wichtig das Verfassungs- und Beziehungswerte der Maßstab für Technologieeinsatz sind. Das Gelingen von Beziehung wird von der Ökonomie derzeit unterminiert. Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle sind daher dringend auszubauen. “New Pay” wird aktuell noch eher auf die Erneuerung von Vergütungsmodellen innerhalb einer Organisation reduziert. Wir brauchen aber einen neuen Ansatz interdisziplinärer Vergütung. Was wir da vorschlagen ist nur ein Korrekturfaktor zum sogenannten “freien Arbeitsmarkt” damit die Akzeptanz für so neu bewertete Arbeitsleistungen bei den traditionellen Stakeholdern in Lohnfragen – den Wirtschaftstreibenden und Gewerkschaften – wächst.

Ø – Ein AI und Blockchain gestützter Index zum Wert von Arbeit

Der Index Ø versucht Fehlallokationen bei bestehenden Berechnungsansätzen für Löhne durch Berücksichtigung von Korrekturparametern zu reduzieren. Hier ein grober Überblick:

Der Index lernt aus:

– Median-Einkommen
– Anonymisierten Steuerdaten
– Marktkräfte – Arbeitskräftepotential – Arbeitslosigkeit BALI – Datenbank
– Bildungsbezogenem Erwerbskarrierenmonitoring
– Kollektivverträgen
– Gehaltsangaben in Anzeigen auf globalen Jobmärkten
– Modernen Lohnverhandlungssystemen der Gewerkschaften und der Unternehmerverbände / Daten 1960 und 2020
– Inflation, Produktivität, Arbeitsklimaindex (AK)
– Berufsbildern und deren Aufgabendefinition/Skillsets.
– ökonomischen Relevanzmodellen – BIP Daten, SDI – Sustainable Development Indicators

Index korrigiert:

– nach Punkteschema aus empirischen Forschungsergebnissen zur Jobzufriedenheit
– nach Umfragen und neuen Erhebungen zur Systemrelevanz von Berufen
– Einschlägigen Forschungsdaten über Arbeitsmärkte – Gemeinwohlbilanzkriterien
– Umweltpolitischen Zielen
– Sozialpolitischen Zielen
– demokratischen halbjährlichen Befragungen
– New Pay for ecosystem services – Wert aus eigener Testgruppe mit “New Jobs” (Tabakfabrik Linz)

Der Index soll in Zukunft auch Softfacts wie Glück, Vertrauen, Angst, Stress, Dauerpräsenz etc. berücksichtigen. Woran wir da gerade besonders hart arbeiten, ist einerseits, die Vielzahl an bestehenden Indexdaten zu Arbeit zu destillieren und richtig gewichtet in die Korrektur zu integrieren. Andererseits soll das Indextool bei aller zu berücksichtigender Vielfalt der Einflussfaktoren am Ende einfach bleiben.

Ideal wäre ein Display, das in etwa so funktioniert, wie die App mit Informationen über den Stromverbrauch 2011 in Japan. Nach der Atomkatastrophe konnte so der Stromverbrauch im Land gemeinsam mit der Bevölkerung drastisch reduziert werden.

Wir glauben auch, dass uns das gelingen kann, weil  es genügt Ergebnisse schrittweise zu verfeinern. Schon nur ein einzelner zusätzlicher Parameter, zum Beispiel die Berücksichtigung des gut erhobenen Gender Pay Gaps, verbessert den Korrekturquotienten eindrücklich.

Fazit

Historisch gesehen war die Evolution in den Händen der Natur. Jetzt liegt sie plötzlich weitgehend in menschlicher Hand, aber wir müssen vorsichtig sein und unser wissenschaftliches Know-how so verantwortungsvoll wie möglich einsetzen. Die Aufgabe der jungen Menschen von heute, der “Transition Generation”, wird es sein, die Menschheit durch die kommende Zeit des Chaos, der Gefahren und der Chancen zu führen. Damit diese dafür eine Aussicht erfolgreich zu sein bekommen, müssen aber die Älteren Raum und Ressourcen übrig lassen.

Einer der Kräfte, die an einer Zukunft arbeitet, die auch weiterhin für die meisten Menschen nicht erbaulich ist, ist der sogenannte Stakeholder Kapitalismus dessen Propheten eher der Korporatokratie zuzuordnen sind und wo derzeit die Anzeichen überwiegen, das sie ihre Plünderung des Planeten im Wesentlichen ungestört fortsetzen wollen. Wir glauben übrigens gar nicht, das hier besonders böse Individuen am Werk sind, auch nicht die sogenannte herrschende Klasse, sondern das System ist derzeit nun einmal so gestrickt, das Gier am Ende alles ruiniert.

Es gibt aber wesentlich unauffälliger eine breite Emanzipationsbewegung mit einem gigantischen Meer an Projekten, die am krassen Gegenteil arbeiten. Diese Projekte haben gemeinsam, dass sie zivilgesellschaftliche Lösungen für die Great Challenges konkret angehen. Wir zählen da, was das Thema Arbeit betrifft z.B. Bewegungen wie die Transition Towns , P2P Foundation, D64, die Gemeinwohlökonomie, Postwachstumsgesellschaft, Solidarische Ökonomie und Attac dazu.

Es gibt auch eine wachsende öffentliche Gegenreaktion gegen inhumane Technologie, die bereits vom Weltwirtschaftsforum als zu überwindende Bedrohung und Hürde erkannt wurde.  In paternalistischer Governance Bestrebung für das angeblich Gute für den Menschen wird Social Engineering und soziale Kontrolle ausgeweitet. Mit der jetzt offiziell gestarteten Agenda dem “Great Reset” versucht man eine Zusicherung des Schutzes vor Schaden, der nicht verhandelbar ist – um Bedenken zu mindern und Dissens zu unterdrücken. Im Grunde geht es darum die Duldsamkeit der Weltbevölkerung aufzubauen und zu erhalten.

Wenn man sich aber die anhaltenden Konflikte, die derzeit auf der Straße ausgetragen werden anschaut – da wären die Gelbwesten, Friday for Future, Blacklife Matters und die gehörig undurchsichtige Zusammensetzung diverser Querdenker im deutschen Sprachraum, inklusive dem Höhepunkt der seltsam symbolträchtigen Bürgerkriegsszenen im US Kapitol, dann sind das schon sehr dunkle Bilder einer Zuspitzung von Dissens und Misstrauen zu Governance mit allen Merkmalen. Desorientierung und eskalierender Protest als ein giftiger Cocktail der natürlich große Risiken birgt, der aber Menschen auch wach rütteln kann, sie aufmerksam macht auf Veränderung.

Wir durchleben angesichts der dramatischen Veränderung, die ein simpler Virus brachte, aber auch das größte Experiment der Menschheitsgeschichte in Sachen Arbeit. Die Gesundheits- und Wirtschaftskrise, die wir mit Ach und Krach zu bewältigen versuchen ist ein sehr guter Zeitpunkt für Veränderung. In diesem Moment, in dem der “Normalzustand”, die gewohnten Abläufe einer Gesellschaft, fundamental gestört sind, wird deutlich sichtbar, an welchen Maßstäben sich der Alltag gewöhnlich ausrichtet.

In seinem Stück „Die Befristeten“ hat Elias Canetti kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nachgestellt, wie sich das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft allgemein denken lässt. Einer besonderen Bedeutung kommt darin dem Moment einer kollektiven Grenzerfahrung zu, der Erfahrung der Auflösung aller sozialer Normen. Es ist diese “gesetzlose” Erfahrung, die wir auch mit Arbeit und wie sie sich weiterentwickeln wird verknüpfen.

New Pay. Das Momentum ist da!

Wie dieser “Ausnahmezustand” politisch und kulturgeschichtlich zu bewerten ist, da scheiden sich auch sehr schlaue Geister. Philosoph Giorgio Agamben, beklagte im ersten Lockdown den unwiderruflichen Verlust unserer letzten autonomen Denk- und Handlungsräume und den totalitären Triumph der Staatsmacht. Jean-Luc Nancy und Roberto Esposito widersprachen ihm und legten die Alternativlosigkeit der konkreten Maßnahmen dar und forderten zugleich die kritische Auseinandersetzung mit den Mechanismen der Globalisierung, des Neoliberalismus und der Bio-politischen Regierungsformen. Slavoj Žizek legte in der Debatte noch eins nach und sah die echte philosophische Revolution der Ereignisse darin, dass das Virus den kapitalistischen Wahnsinn in seiner gesamten Tragweite entkleidet und auf globaler Ebene das Verhältnis von Mensch und Gemeinschaft unter existenziellen Blickpunkten neu ausrichten könnte.

“Da draußen ist eine neue Welt und in dieser neuen Welt kannst Du jeden Moment neu definieren. Du kannst die sein, die Du verdammt nochmal sein willst!”

Letztlich ist alles Deuten sinnlos, sondern das was kommt, muss gestaltet werden. Den Generationen Y und Z kommt dabei die Herkulesaufgabe zu und “Gesteigerte Selbstaufmerksamkeit”, ist ein Begriff, der hier Hoffnung macht.

Einerseits ist da Risikoaversion, Spießigkeit, Regeln, Perfektionismus und Suche nach Geborgenheit in Teams und Peergroups als Ausdruck von Stabilitätsbedürfnis in der Dauerkrise; eine Art “Plüsch Commoning” bahnt sich da den Weg. Andererseits tritt bei dieser Generation der Wunsch nach Selbstverwirklichung, Selbstökonomisierung, Multioptionalismus und Ablehnung traditioneller puritanischer Arbeitstugenden fast religiös ins Zentrum. Positiv gesehen, ist es ein neues  ´Bei sich Sein`, eine Gegenwärtigkeit, die diese Generation auszeichnet. Man sucht Zugehörigkeit, eine Aufgabe, ein wenig Bedeutsamkeit vielleicht. Diese Eigenschaften sind nicht unwichtig, wenn es darum geht New Work zu emanzipieren.

Die schönste Nebensache aller „Dystopia“ ist, dass wir das Leben selbst jetzt neu kreieren, neu codieren können. 

Artikel von Ilja Weisz – igor@servus.at
We trust in work
New Work New Culture

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Der Social Thinktank Neue Arbeit – Neue Kultur handelt seit 40 Jahren in Sachen Arbeit.

Im Sinne von Victor J. Papanek – „The greenimperative: ecology and ethics in design and architecture“ –  sieht NANK riesiges Potenzial in der Neugestaltung von Arbeit und Produktion und sucht und findet mit Transition Design Antworten auf die „Great Challenges“.
NANK hat in den letzten Jahren unter anderem mit verschiedenen Ausstellungsformaten bei der Ars Electronica oder bei der Vienna Biennale versucht positive Bilder für ein “Navigieren in Unsicherheit” zu kreieren und so das Bewusstsein für Lösungswege für das Arbeits-Dilemma zu schärfen.

NANK Co:llaboratory ist ein Social Thinktank der den ‚Wandel der Arbeit‘ erforscht
NANK Co:llaboratory vermittelt das arbeitsphilosophische Konzept der ‚New Work‘
NANK Co:llaboratory entwickelt Werkzeuge des ‚social design‘ rund um Arbeit

Projektmitarbeiter: Elodie Bioux, Lisa Kärcher, Frithjof Bergmann, Felix Zabel