Wir sollen nicht der Arbeit dienen, sondern die Arbeit soll uns dienen.
Frithjof Bergmann ist Philosoph und Anthropologe und international bekannt als Begründer der New Work-Bewegung. 1930 in Sachsen geboren, flieht er während der NS-Zeit vor den Nazis nach Österreich und wandert vier Jahre nach Kriegsende in die USA aus. Dort arbeitet er u.a. als Tellerwäscher, Preisboxer, Hafenarbeiter, Theaterautor und später auf dem Land in der Selbstversorgung, bevor er sich der Philosophie zuwendet und mit ihr die Themen Freiheit und Arbeit zu seiner Lebensaufgabe macht.
Ausgehend von der Überzeugung, dass der Begriff der Freiheit völlig missverstanden wird, publiziert Frithjof 1977 seinen ersten Philosophieband mit dem Titel Die Freiheit leben. Die zentrale Botschaft dieses Buchs: Echte Freiheit wird dem Menschen erst möglich, wenn er erkennt, was er in und mit seinem Leben wirklich tun möchte und wenn ihm die Umsetzung seiner Erkenntnis ermöglicht wird. Mit dieser Idee legt er den Grundstein zu den Theorien von New Work. Sein Grundlagenwerk Neue Arbeit, Neue Kultur publiziert er 2004 zunächst nur in deutscher Sprache. Die englische Version New Work New Culture erscheint 2019.
Frithjof Bergmann ist Vater von 3 Kindern und hat 5 Enkel. Er hat nichts gegen schnelle Autos und mag Pferde. Als Professor lehrt Frithjof an den renommiertesten Universitäten der USA (Princeton, Stanford, Chicago, Berkeley und Ann Arbor). Er berät Unternehmen, Gewerkschaften, Regierungsorganisationen und Kommunen auf der ganzen Welt zur Umsetzung seiner Theorien von New Work.
Arbeit kann dich umbringen und Arbeit ist das, was Leben gibt.
Christoph Magnussen und Michael Trautmann sprechen im Videopodcast mit Frithjof Bergmann über Arbeit im Allgemeinen und darüber, warum die Lohnarbeit nicht die Lösung ist.
„Wir sprechen über die Armut der Begierde, über einen Fließbandarbeiter, der ein Yoga-Studio aufgemacht hat und immer wieder über die große Frage, was wir eigentlich wirklich, wirklich wollen.
Leicht durch Krankheit gehandicapt empfängt uns der Godfather of New Work mit festem Händedruck und dem unbändigen Willen, sein Lebenswerk noch weiter voranzutreiben. Mit den Worten ‚Dann lasst es uns machen!‘ und nicht ohne ein Versprechen auf eine Fortsetzung gehen fast 3 Stunden Podcast zu Ende.“
Frithjof Bergmann. Ein Leben
Timeline
Dezember 24 1930
Das Böse ist nicht nur ein Traum
Frithjof wird am 24. Dezember 1930 in Weickelsdorf in Sachsen geboren, aber die Familie bekommt schon bald den Aufstieg der Faschisten zu spüren und zieht mit seiner Familie nach Hallstadt in Österreich. Die Kindheitsjahre während des Krieges muss Frithjof größtenteils allein stemmen: Der jüdischen Mutter gelingt in der Verkleidung als Krankenschwester die Flucht vor dem Konzentrationslager. Sie überlebt unter einem falschen Namen, der junge Frithjof wächst aber in der Überzeugung auf, dass sie Selbstmord begangen hat. Erst nach Kriegsende wird er sie wiedersehen.
Januar 1 1936
Einfluss der Kirche
Frithjofs Vater ist Pfarrer. Auch wenn er sich gewünscht hatte, dass Frithjof in seine Spuren tritt, erkennt er schon in jungen Jahren, dass die Kirche nicht das richtige Instrument ist, um die Welt zu verbessern. „Mein Vater hat geflucht wie ein Matrose, wenn er vor dem Gottesdienst seinen Kragen nicht gefunden hat – nur um 5 Minuten später mit offenen Armen vor der Gemeinde zu stehen und sie einzuladen, Gott in ihr Leben zu lassen.“
Januar 1 1949
Die Enge Österreichs
Der Vater verbringt die letzten Kriegsjahre in Gefangenschaft und wird dort schwer krank. Frithjof ist früh auf sich allein gestellt und arbeitet die meiste Zeit als Bauer auf dem Land – eine Erfahrung, die ihn später bei der Entwicklung seiner Philosophie zur Neuen Arbeit prägen wird. Die harte Kindheit hat Spuren hinterlassen, auch er kämpft als Jugendlicher mit langen Krankheiten. Aber die Erfahrungen des Faschismus und des Krieges haben seinen Kampfgeist geweckt. Er überlegt schon früh, wie man die Welt besser machen kann. Mit dem Wunsch das postfaschistische Europa zu verlassen, nimmt er 1949, kurz vor der Matura an einem Schreibwettbewerb teil und gewinnt mit seinem Aufsatz Welt, in der wir leben wollen den Hauptpreis: Ein Studienjahr in den USA.
Januar 1 1950
Erzählen und Sich-Finden
Frithjof wird nicht mehr nach Europa zurückkehren. Die erste Zeit in den USA sind Jahre des Erzählens – und für Frithjof letztlich eine Zeit der Identitätsfindung. Immer wieder wird er gebeten zu erzählen, wie es in Österreich und in Deutschland während der NS-Zeit tatsächlich war. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit mündet zwangsläufig in der Frage, was er eigentlich ich in Amerika tun will. Im Gegensatz zu Europa scheint hier alles möglich – das wird er sich in den kommenden Jahren zum Lebensmotto machen.
Januar 1 1954
Experimentieren
Frithjof probiert Einiges aus. Nach seinem Studienjahr am Lewis and Clark College in Portland, Oregon arbeitet er als Tellerwäscher und Hafenarbeiter, macht sich einen Namen als Preisboxer und steht am Fließband. Seine Erfahrungen verarbeitet er in Theaterstücken, die die amerikanische Gesellschaft in den 50er portraitieren. Dann erhält er ein Stipendium für das renommierte Literaturstudium an der University of Iowa. Ein Segen für Frithjof, denn die Aufnahmeprüfungen an den Universitäten des Landes sind hart und die Studiengebühren hoch.
Januar 1 1956
Widerstand gegen den Vietnamkrieg
Während der Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg in den 60er Jahren gewinnt Frithjof an der University of Michigan Ann Arbor intellektuellen Einfluß bei der Anti-Kriegs-Bewegung. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Professoren organisiert er so genannte „Teach-Ins“, er beteiligt sich an diversen Protesten auf dem Campus am Hungerstreik gegen geheime Forschungsarbeiten an der Universität.
Hier der Link zur Dokumetationseite mit Video Interviews mit Frithjof Bergmann zum Thema.
Januar 1 1957
Was ist Freiheit?
Aufgrund seines Erzähltalents sagen Studienfreunde in Iowa Frithjof eine Zukunft als Professor der Philosophie voraus. Zunächst sträubt er sich dagegen – er wollte eigentlich Schauspieler werden – dann siegen Neugier und Wissensdrang und er findet sich bei dem deutsch-amerikanischen Philosophen und Nietzsche-Experten Walter Kaufmann in Princeton wieder. Für Frithjof wird Kaufmann Mentor und Freund, ein bedeutender Mensch, der ihn immer fordert und fördert. Frithjof promoviert mit einer Arbeit über Hegel.
Januar 1 1958
Der „Philosophie Professor“
Zunächst sträubt sich Frithjof Bergmann gegen die Idee, Professor zu werden – dieser Lebensweg kommt ihm zu einfach vor – stattdessen versucht er sich als Bauer in der Selbstversorgung. Mit Hilfe seiner Freunde findet er aber zu dem zurück, was er wirklich, wirklich tun will: Frithjof kehrt zur Philosophie zurück und erhält fortan Lehraufträge an den renommiertesten Universitäten des Landes: Stanford University, University of Chicago und UC Berkeley. 1958 bekommt er einen Lehrstuhl für Philosophie an der University of Michigan Ann Arbor. Dort blieb er bis zu seiner Emeritierung 1999 tätig.
Januar 1 1972
Der Weg zur Neuen Arbeit
Frithjofs frühe Arbeiten beschäftigen sich mit einer neuen Definition von Freiheit, die er im Sinne der Hegel’schen Entscheidungsfreiheit grundsätzlich als missverstanden ansieht und stattdessen Handlungsfreiheit propagiert. In seinem ersten Philosophieband Die Freiheit leben beschreibt er den freien Menschen als Individuum, das genau das tun kann, was er oder sie wirklich, wirklich will. Diese Idee wird der Grundstein für seine Theorien zur Neuen Arbeit.
Januar 1 1974
Wirklich, wirklich tun wollen
Während seiner Zeit als Professor an der University of Michigan Ann Arbor und nach mehreren Reisen in Länder des damaligen Ostblocks realisiert Frithjof, dass der Kapitalismus in der westlichen Arbeitswelt grundlegende Probleme hervorgebracht hat. Allerdings erkennt er in diesem Zusammenhang auch die Aussichtslosigkeit des Kommunismus und beginnt mit der Entwicklung eines Gegenmodells, der Neuen Arbeit. Als Botschafter für die Freiheit, die den Menschen ermöglicht genau das zu tun, was sie wirklich, wirklich wollen, propagiert Frithjof einen kulturellen Wandel – weg von der Knechtschaft der Lohnarbeit, hin zu mehr Unabhängigkeit, Selbstbestimmtheit des Einzelnen und gemeinschaftlicher Teilhabe. In den 1970er Jahren arbeitet Frithjof in Flint, Michigan mit Unternehmen aus der Automobilbranche zusammen, die unter der neuen Automatisierungswelle massenhaft Mitarbeit entlassen müssen und nach neuen Beschäftigungsmodellen suchen. Er prophezeit den Unternehmen, dass ihre Mitarbeiter besser arbeiten würden, wenn sie das tun würden, was sie wirklich wollen.
Januar 1 1977
Sich in das Leben verlieben
In Flint werden damit die ersten Zentren für Neue Arbeit gegründet. Dort sollen die Menschen mit Hilfe von Mentoren ihre „Selbstunkenntnis“ überwinden und auf die Suche nach einer Arbeit in Übereinstimmung mit eigenen Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Begabungen begeben. Ziel ist es, das eigene Leben so verändern, dass man sich „lebendig(er)“ und in der Konsequenz energetischer fühlt. Diese Zentren für Neue Arbeit sind über die Jahre überall auf der Welt entstanden.
Frithjof Bergmann. Schriften und Werke
Monographien
- Bergmann, Frithjof. Neue Arbeit, Neue Kultur. Freiburg im Breisgau: Arbor Verlag 2017, 6. Aufl.
- Bergmann, Frithjof / Friedland, Stella. Neue Arbeit kompakt: Visionen einer selbstbestimmten Gesellschaft. Freiamt im Schwarzwald: Arbor Verlag 2007.
- Bergmann, Frithjof. Die Freiheit leben. Freiamt im Schwarzwald: Arbor Verlag 2005
Erhältlich über Amazon oder direkt beim Verlag:
Arbor Verlag GmbH
Alice-Salomon-Str. 4
79111 Freiburg
Ansprechpartnerin: Martina Hofmeister
T: +49 761-40 14 09 30
E: info@arbor-verlag.de
www.arbor-verlag.de
Aufsätze
- Bergmann, Frithjof. Raum der Möglichkeiten. In Zentren für Neue Arbeit zukunftsfähige Lebensstile ausprobieren. Politische Ökologie 54 (Mai/Juni 1998), S. 55-58.
- Frithjof Bergmann_Ohne Arbeit ist der Mensch unvollkommen_ZEIT Arbeit
English
- Bergmann, Frithjof. New Work New Culture: Work we want and a culture that strengthens us. Alresford: John Hunt Publishing 2019.
- Bergmann, Frithjof. On Being Free. Notre Dame, IN: University of Notre Dame Press 1977.
- Bergmann, Frithjof / Staehelin, Thomas / Steglich, Katrin. Starting with New Work, Creating a New Culture. Flow Zone Edition, NewWorkNewCulture. Create Space Independent Publishing: 2014.
All books are available at Amazon
Contact to the publishing houses:
John Hunt Publishing (Zero Books)
3 East Street
Alresford SO24 9EE
United Kingdom
Frithjof Bergmann. Freiheit
Calling
Wir Menschen sind anders als Jean-Jacques Rousseau in seinem berühmten Satz geschrieben hat nicht „von Geburt an frei“ (in „Vom Gesellschaftsvertrage..“). Nichts ist so falsch wie die Aussage: „Der Mensch ist frei geboren“. – das Gegenteil ist der Fall. Georg Wilhelm Friedrich Hegels Menschenbild geht davon aus, das die Freiheit etwas ist, das wir nur unter ganz glückseligen Umständen, manchmal und nur zum Teil und kaum für einen längeren Augenblick erleben können. Der Weg zur Freiheit im Leben ist schwierig. Das Leben ist ein Versuch hinzukommen zur Freiheit und ganz das Gegenteil von dem was man schon in die Wiege mitbekommen hat. Wohin gehen wir? Wie wollen wir leben? In der Teilzeitrevue, die wir Leben nennen, kommen wir schön langsam der Erkenntnis auf die Schliche, das wir als Gesellschaft im Rausch alptraumartiger Geschwindigkeitszunahme trotzdem irgendwie festsitzen. Wie Frithjof Bergmann sagt:“ Wir verbrennen die Geigen“.
Tue was du wirklich, wirklich willst
Eine Kultur, in der „Alles Alle stärkt“ – vom Kindergarten hin bis zum begleiteten Sterben.
Es ist eine Illusion, zu glauben, die weltweite Armut durch die Gründung von mehr Unternehmen und durch die dadurch entstehenden Arbeitsplätze abschaffen zu können. Unter anderem wegen diesem Irrglauben an das ewige Wachsstum stehen wir vor diesem etwas rat- und orientierungslos machenden Scherbenhaufen. Dieses ganze Brutnest von Verheerungen hat erstaunlicherweise die allen gemeinsame Ursache in dem massenhaften Wegschmelzen von Arbeitsplätzen. Deswegen stehen wir am Anfang einer neuen Epoche.
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